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http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2015/kw24_pa_wirtschaft/375484

 

Wirtschaftsausschuss: Experten fordern Änderungen im Bergrecht

 

 

Zahlreiche Sachverständige haben am Mittwoch, 10. Juni 2015, im Wirtschaftsausschuss unter Vorsitz von Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU) Änderungen an der von der Bundesregierung geplanten Novellierung des Bundesbergrechts (18/4714) gefordert, die Teil eines Gesetzespaketes zur stärkeren Reglementierung der umstrittenen Erdgasfördermethode Fracking ist.

Unter anderem soll die Bergschadenshaftung auf den Bohrlochbergbau und Kavernen, also künstlich geschaffene unterirdische Hohlräumen zur Speicherung von Erdöl oder Erdgas, ausgeweitet werden. Die Beweislast im Hinblick auf mögliche Bergschäden, die von Tiefbohrungen wie Fracking-Maßnahmen stammen können, soll damit in Zukunft den Unternehmen auferlegt werden.


Rechtsanwalt fordert Ausweitung der Bergschadenshaftung

In der zweistündigen öffentlichen Anhörung des Ausschusses zum Thema begrüßte der Rechtsanwalt Dirk Teßmer zwar grundsätzlich die Ausweitung der Bergschadenshaftung, da sie Geschädigten die Darlegungs- und Beweislast erleichtere. Allerdings gelte sie in der derzeitigen Fassung nur für Schäden infolge von unterirdischem Bergbau.

Dabei hätten gerade auch in deutschen Braunkohlerevieren viele Grundstückeigentümer erhebliche Probleme, insbesondere durch die Absenkung beziehungsweise den Wiederanstieg von Grundwasser entstandene Schäden an Gebäuden und Grundstücken erstattet zu bekommen.

Teßmer forderte daher, die Bergschadenshaftung auch auf bergbauliche Tätigkeiten im Tagebau zu erstrecken. Seiner Ansicht nach berücksichtigt das Bundesbergrecht zudem weiterhin zu wenig private und öffentliche Belange, die mit dem Abbau von Bodenschätzen in Konflikt stehen könnten. Um mehr Rechtssicherheit zu schaffen, müssten die Genehmigungsvoraussetzungen für bergbauliche Vorhaben daher vom Gesetzgeber konkretisiert werden, forderte der Anwalt.


Experte äußert Sorge um induzierte Seismizität

Auch Andreas Sikorski vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen (LBEG) empfahl, die Bergschadenshaftung auf weitere Tätigkeiten, etwa den übertägigen Braunkohletagebau oder Porenspeicher, auszuweiten. Die bisher im Bundesbergesetz aufgelisteten Fälle von Bergschäden, wie Senkungen, Pressungen oder Erdrisse sollten zudem, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, um Erderschütterungen ergänzt werden, schließlich habe gerade Niedersachsen stark mit dem Problem induzierter Seismizität, also von menschlichen

Aktivitäten verursachten Erdbeben, zu tun.

„Das nehmen wir mit großer Sorge wahr“, erklärte Sikorski. Als gutes Instrument, um die Position der Betroffenen zu stärken, hätten sich die von der niedersächsischen Landesregierung eingerichteten Schlichtungsstellen erwiesen. Deren Einrichtung bezeichnete auch Rechtsanwalt Teßmer als sinnvoll.

 

Warnender Hinweis zur Umkehr der Beweislast

Hans-Ulrich von Mäßenhausen, ebenfalls Rechtsanwalt, betonte, die Bergschadenshaftung gelte für Schäden, die tatsächlich „bergbautypisch“ seien, beispielsweise Risse in der Hauswand. Dem Geschädigten würde in diesem Fall die Beweislast für die Verursachung des Schadens abgenommen. Künftig müsse das Bergbauunternehmen nachweisen, dass es den Schaden nicht verursacht hat.

In seiner schriftlichen Stellungnahme warnte von Mäßenhausen aber davor, die Umkehr der Beweislast so auszugestalten, „dass alle nicht ganz entfernt liegenden Schäden zuerst dem Bergunternehmer angelastet werden“. Schließlich könnten Auswirkungen auf die Erdoberfläche ihre Ursachen auch in geologischen Ereignissen, wie Erdrutschen oder Grundwasserspiegelschwankungen aufgrund von Regenfällen haben.


Aktionsbündnis bezeichnet Entwurf als „zahnlosen Tiger“

Thorben Gruhl vom Aktionsbündnis No Moor Fracking kritisierte, dass die Bergschadenshaftung nicht für Gebäudeschäden infolge von Erdstößen gelten solle, die infolge der Entnahme von Erdgas, der Anwendung von Fracking oder des Verpressens von Lagerstättenwasser in die Erde entstehen könnten. Zudem erweise sich die Beweislastumkehr im Gesetzentwurf als „zahnloser Tiger“: „Es genügt bereits die bloße Möglichkeit, dass auch ein Dritter den Schaden verursacht haben kann, und schon stehen die Betroffenen wieder auf der Straße“, warnte Gruhl.

Das Vorhaben der Bundesregierung eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für Fracking-Vorhaben einzuführen, wertete er ebenfalls als „reines Placebo“. So fehle es im Hinblick auf Fracking an jeglichen fachrechtlichen Prüfkriterien. Gruhl stufte die volkswirtschaftliche Bedeutung heimischer Erdgasförderung mittels Fracking zudem als gering ein. Derzeit würde nur 0,8 Prozent des Energiebedarfs aus deutschem Fracking gedeckt. Würde künftig Schiefergas gefördert, wären es nicht mehr als zwei bis drei Prozent. „Das wird uns keine energiepolitische Unabhängigkeit sichern“, betonte Gruhl.


Industrie verweist auf die Versorgungssicherheit

Dem widersprachen Burkhard Grundmeier vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. (WEG) und Franz-Gerd Hörnschemeyer von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Hörnschemeyer verwies darauf, dass die konventionellen Erdgas-Lagerstätten noch etwa zehn bis 15 Jahre reichen würden. Für die langfristige Zukunftsfähigkeit der Branche sei es daher überaus wichtig, die Schiefergas-Lagerstätten zu erkunden. Ihr Beitrag zur Energieversorgungsicherheit sei „außerordentlich hoch“, heimisches Erdgas stelle somit ein wichtiges Korrektiv gegenüber Importen dar.

Grundmeier legte das Augenmerk auch auf die 20.000 direkt und indirekt in der Erdgasproduktion Beschäftigen in Deutschland. Zudem decke die deutsche Produktion derzeit zwölf Prozent des deutschen Erdgasbedarfs. „Jeder Kubikmeter Erdgas, den wir in Deutschland fördern, müssen wir nicht importieren.“ Die fehlende Planungssicherheit der vergangenen Jahre habe bereits Arbeitsplätze gekostet und Investitionen verhindert, erklärte Grundmeier. „Dieser Zustand ist nicht akzeptabel.“


Schlichtungsstellen auf Länderebene

In seiner schriftlichen Stellungnahme kritisierte Grundmeier außerdem die geplanten Regelungen zur Bergschadensvermutung. „Es bestehen weder Unklarheiten in der Rechtsanwendung noch ist der Rechtsschutz Geschädigter unzureichend“, heißt es darin. Zudem sei die Erdgasgewinnung insbesondere im Vergleich mit dem untertägigen Steinkohlebergbau „weder typisch schadenverursachend noch wohnt ihr die Besonderheit der erschwerten Beweisführung im Falle unterirdisch verursachter Kausalketten inne“.

Er schlägt daher vor, die Durchsetzung möglicher Ansprüche des Bürgers gegen Erdgasproduzenten durch die Schaffung von Schlichtungsstellen auf Länderebene „erheblich zu vereinfachen“.

 

Wissenschaftler ruft zur Beruhigung in der Debatte auf

Der Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel, betonte, beim Einsatz der Fracking-Technologie, die in Deutschland bereits seit fünf Jahrzehnten zum Aufschließen von dichtem Sandstein angewendet werde, sei es bisher zu keinem Schadensfall gekommen. „Die Geowissenschaft reibt sich die Augen über die Diskussion in Deutschland“, erklärte er und rief zugleich zu einer „gewissen Beruhigung in der Debatte“ auf.

So sei die in den Gesetzentwürfen der Bundesregierung getroffene Regelung, Fracking nur ab einer Tiefe von mindestens 3.000 Metern zu erlauben und damit mit möglichst großem Abstand zum Trinkwasser, aus geowissenschaftlicher Sicht „nicht sinnvoll“. Entscheidend für den Schutz des Grundwassers sei nicht die Tiefe, in der gefrackt werde, sondern die geologische Beschaffenheit des Untergrundes. Geologische Barrieren verhinderten in vielen Regionen, dass Frac-Fluide oder Lagerstättenwasser eindringen könnten, versicherte Kümpel. Voraussetzung für die sichere Anwendung von Fracking sei daher eine Tiefenerkundung, bevor mit der Bohrung begonnen werde. (joh/10.06.2015)


Liste der geladenen Sachverständigen

Andreas Sikorski, Präsident des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen (LBEG)
Burkhard Grundmeier, Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. (WEG)
Hans-Ulrich von Mäßenhausen, Rechtsanwalt
Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel, Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)
Franz-Gerd Hörnschemeyer, Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE)
Thorben Gruhl, Aktionsbündnis No Moor Fracking
Dirk Teßmer, Rechtsanwälte Philipp-Gerlach & Teßmer
N.N., Deutscher Städtetag

 

Frackingverbot? – April, April!

Hendricks legt Fracking-Etablierungsgesetz vor – von Verboten keine Spur.

Fracking-Freigabe

Fracking jeglicher Art wird ermöglicht…

Den wohl mit Abstand schlechtesten Aprilscherz des Jahres erlaubt sich Bundesumweltministerin Hendricks mit dem am 1. April vom Kabinett verabschiedeten Frackinggesetz. Während sie nicht müde wird, von Ausschlüssen und Beschränkungen zu predigen, liest sich der Gesetzestext hingegen ganz anders.

Einen Überblick gibt die folgende Zusammenstellung vom Aktionsbündnis No Moor Fracking: Analyse_Frackinggesetz_Kabinett

Fracking wird generell in allen Facetten und allen Tiefen ermöglicht. Lediglich der Spezialfall Schiefer- und Kohleflözgas wird – aber auch nur, wenn es denn flacher als 3000 m liegt -  unter Vorbehalt einer fragwürdigen Kommission gestellt. Deren positives Votum ist bei ihrer geplanten Besetzung mit erklärten Befürwortern aber bereits absehbar. Während Frau Hendricks von “Forschungsbohrungen” spricht, sind deren Regeln so großzügig bemessen, dass die gesamte gewöhnliche Aufsuchung darunter verbucht werden kann. . Bezeichnenderweise nutzt man gerade die nicht die im Bergrecht bereits etablierte Möglichkeit der “Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken” sondern möchte nun kommerziell ausgerichtete Vorhaben ein Forschungsfeigenblättchen anheften.

fracking_Chemie

Gefährliche Zutaten weiter erlaubt

Der Schutz des Grundwassers beschränkt sich dabei im wesentlichen auf bestehende Wasserschutzgebiete, welche jedoch nie auf eine Verschmutzung von unten bemessen wurden. Für weitergehenden Schutz sind einige wenige Länderklauseln vorgesehen. Die meisten Brunneninhaber schauen jedoch im wahrsten Sinne des Wortes in die Röhre.

Im Kabinettsbeschluss weicht man sogar noch das im Koalitionsvertrag angestrebte Verbot  “umwelttoxische” Stoffe einzusetzen auf. Den Phantasiebegriff setzt man nun lediglich mit “wassergefährdend” gleich – und gestattet die Verwendung: Soweit das fertig verdünnte Gemisch noch die Wassergefährdungsklasse 1 erreicht, sind auch gefährliche Zutaten weiter zulässig.

Auch von der betonten Beweislastumkehr bleibt bei Lichte betrachtet nichts mehr übrig. Einen fortschrittlichen Ansatz aus dem Entwurf zur Verbändebeteiligung hat man nun wieder gestrichen. Die Erdbebenschäden fallen gar nicht erst unter die Voraussetzung der ” Senkungen, Hebungen, Pressungen oder Zerrungen der Oberfläche”. Ebensowenig gilt eine Verursachervermutung bei Umweltschäden und Grundwasserkontaminationen. Es bleiben lediglich langfristige Setzungsschäden als Folge der Förderung. Hier genügt dem Verursacher jedoch schon die bloße Möglichkeit, dass auch ein Dritter den Schaden verursacht haben kann, um sich der Beweislastumkehr zu entziehen. Die Nichtexistenz eines Dritten als Schädiger zu beweisen ist jedoch schon rein logisch unmöglich für den Geschädigten.

In Anbetracht des desolaten Gesetzentwurfs nahm es Frau Hendricks in ihrer Pressekonferenz auch mit der Wahrheit nicht mehr so genau. In krassem Widerspruch zur bisherigen Abschätzung der BGR, die 2/3 des Schiefergases im Unterkarbon verortet, bestritt sie kurzerhand Vorkommen unterhalb von 3000 m. Auch die Beteuerung, Fracking rein rechtlich nicht verbieten zu können, konnte sie auf Nachfrage von Journalisten nicht mit rechtlicher Expertise untermauern. Die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestags, welche hingegen ein Verbot für rechtlich machbar hält, verschwieg Hendricks an dieser Stelle lieber.

Fracking ist nicht zu verantworten

Die Anwendung des Hydraulic Fracturing (Fracking) zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl- und Gasvorkommen stellt einen erheblichen Eingriff in die natürliche Umgebung dar, dessen Auswirkungen nur unzureichend abzusehen sind. 

Die Risiken

• Kontamination von Trinkwasservorkommen durch Bestandteile der beim Fracking eingesetzten Flüssigkeiten

• Grundwasserkontamination durch Fracfluide

• Grundwasserkontamination durch Ausbreitung von giftigem Lagerstättenwasser entlang von geschaffenen Wegsamkeiten – auch bei ungiftigen Frac-Rezepturen

• Aufstieg von mobilisiertem Methan und daraus resultierende Verschiebung der Wasserqualität

• Entsorgung von Frackfluid und mitgefördertem Lagerstättenwasser durch Verpressen, was heute teils sogar in Trinkwasserschutzgebieten geschieht.

• Verbrauch von typisch 500 Mio -1 Mrd Liter Frischwasser pro Bohrplatz (5000 m3/Frac*10-15 Fracs/Bohrung* 10-20 Bohrungen/Bohrplatz), die dem Wasserkreislauf dauerhaft entzogen werden

• Erdstöße in Folge des Auslösens bereits bestehender Spannungen

• Erdstöße in Folge zusammensackender durch Risse geschwächter Gesteine bei Absinken des Lagerstättendrucks in Folge der Förderung

• Schleichend über Nebenwege entweichendes Methan (aktuelle US-Studie: 9% Verluste) mit 20-fachem Treibhausgas-Potential verglichen mit CO2

Das Aktionsbündnis No Moor Fracking hält aus diesen Gründen die Anwendung der Fracking-Methode zur Öl- und Gasförderung für nicht vertretbar.